GEHLKEN, P.-L. (1998):
Tonmineralogisch-geochemische Aspekte zur Auswahl von Tonen als Dichtungsmaterialien im Deponiebau.


Tone sind als Grundstoffe für mineralische Abdichtungen zur Rückhaltung von Schadstoffen aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften (geringe Durchlässigkeit, hohe Plastizität und großes Adsorptionsvermögen) in besonderem Maße geeignet. Bei der Diskussion von Qualitätskriterien im Hinblick auf die Dauerbeständigkeit von Tonen als Abdichtungsmaterial sind in der Vergangenheit vor allem geotechnische Aspekte behandelt worden. Im Rahmen dieser Arbeit werden die mineralogischen und geochemischen Wechselwirkungen, die beim Kontakt zwischen den komplexen (hier stellvertretend „sauren“) Deponiesickerwässern und den mineralischen Bestandteilen von Abdichtungen, insbesondere den Tonmineralen, auftreten, aufgezeigt.

Für die Langzeitstabilität des mineralischen Dichtungsmaterials sind diese Wechselwirkungen von maßgebender Bedeutung. Da innerkristallin quellfähige Tone, d. h. Tone mit hohen Gehalten an Smektitmineralen, Illit-Smektitphasen und anderen Mixed-Layer Mineralen in Kontakt mit chemischen Medien zur Rißbildung neigen und somit nicht die geforderte chemische Resistenz und Langzeitstabilität aufweisen, werden als Dichtungsmaterialien bevorzugt Tone mit innerkristallin nicht quellfähigen Tonmineralphasen (i. w. Kaolinit, Illit-Kaolinit und Chlorit) eingesetzt.

Für die hier durchgeführten Untersuchungen wurden neben natürlichen, repräsentativen Abdichtungsmaterialien auch reine Mineralphasen (Kaolinite, Illite und Chlorite) ausgewählt. Als Prüfflüssigkeiten dienten organische und anorganische Säuren.

Zur Beurteilung der Stabilität des eingesetzten Probenmaterials wurden verschiedene „Korrosionstests“ in Anlehnung an die Untersuchungen von USTRICH (1991) ausgeführt. Ein schonender Angriff der Reaktionsmedien wurde durch zeitlich gestaffelte Standversuche (statisches Reaktionssystem), ein intensives Einwirken durch Schüttelversuche (dynamisches Reaktionssystem), sog. Batch-Versuche, bei denen Säurestärke, Behandlungsdauer und Temperatur mehrfach variiert wurden, simuliert.

Die durch die Einwirkung der unterschiedlichen Elektrolytlösungen an den Schichtsilikaten verursachten Veränderungen konnten einerseits mit Hilfe der Infrarotspektroskopie (FTIR) bzw. der Röntgendiffraktometrie und andererseits mit chemischen Analysen (Röntgenfluoreszenz und Atomabsorptionsspektroskopie) der Feststoffe und der Eluate erfaßt werden.

Untersuchungen der Löslichkeit von Tonmineralen (z. B. OSTROM 1961) zeigten, daß die Einwirkung von Säuren zu einer inkongruenten Auflösung der Tonminerale und einer bevorzugten Extraktion der Alkalimetalle, Erdalkalien und des Aluminiums aus den Phyllosilikaten führt.

Bei den Illiten läßt sich eine Zunahme der Empfindlichkeit gegenüber Säuren mit abnehmender K-Belegung der Zwischenschichten feststellen. Dies äußert sich im Infrarotspektrum in einer Intensitätsabnahme der OH-Valenzschwingungsbanden. Die Einflüsse auf den Chemismus der Oktaeder- und Tetraederschichten der Illite/Glimmer, die im Vergleich zum Zwischenschichtbereich wesentlich ausgeprägter sind, dokumentieren sich in signifikanten Frequenzverschiebungen und Intensitätsverstärkungen bzw. -abschwächungen einzelner Absorptionsbanden. Mg-, Fe-arme Illite sind gegenüber sauren Deponiesickerwässern wesentlich resistenter als Mg-, Fe-reiche (phengitische) Illite. Stärkere Säurebehandlungen führen bei den phengitischen Illiten bzw. Phengiten zur Extraktion des Aluminiums und damit zur Auflösung der Oktaederschichten (vgl. GEHLKEN 1987 und GEHLKEN & TARRAH 1992). Die Kieselsäure löst sich bei den Säurebehandlungen überwiegend nicht molekular, sondern kolloid-dispers zu einem Hydrosol. Dies führt schließlich zur Auflösung der Tetraederschichten.

In Abhängigkeit von der Korngröße und der chemischen Zusammensetzung werden Chlorite durch Elektrolytlösungen unterschiedlich stark angegriffen. In Fe(II)-Orthochloriten und Leptochloriten kann es leicht zu einer Aufoxidation des zweiwertigen Eisens kommen, das dann zusammen mit dem vorhandenen Magnesium aus den Oktaederschichten entzogen wird. Anschließend wird das oktaedrisch gebundene Aluminium verdrängt. Das Lösen des tetraedrischen Aluminiums und des Siliziums hat die Auflösung der Chloritstrukturen zur Folge. Mg-Chlorite sind wesentlich widerstandsfähiger als Fe-reiche Chlorite. Neben dem Chemismus haben auch bei den Chloriten strukturelle Unterschiede eine große Bedeutung. Reine 14-Å Chlorite (Normalchlorite) sind insgesamt resistenter als Chlorit-Vermikulit-Wechsellagerungen oder aber Chlorite mit 7 Å-Anteilen.

Bei Kaoliniten werden durch die eingesetzten Säuren keine derartigen Lösungserscheinungen hervorgerufen.

Als Deponieabdichtungsmaterial sollten Tone mit innerkristallin nicht quellfähigen Phyllosilikaten eingesetzt werden. Für einen Dichtungsbaustoff spielt neben dem (Ton-)Mineralbestand vor allem auch die kristallchemische Zusammensetzung der Phyllosilikate eine bedeutende Rolle. Bei illitischen Tonen sind diejenigen, die Mg-, Fe-arme, gut kristalline Illite führen, zu bevorzugen. Tone mit Fe-reichen Chloriten (Fe(II)-Orthochlorite und Leptochlorite) sollten als Dichtungsmaterial nicht verwandt werden.